Dieser Artikel wurde mit Hilfe von Paul Bradford verfasst, der mit über 30 Jahren Erfahrung in Vertrieb, Marketing und Beratung ein erfahrener Experte in Verhandlungen ist. Als Berater für The Gap Partnership, einem Anbieter für Verhandlungstraining, hat er weltweit Kunden geholfen, Werte und Profitabilität in verschiedenen Branchen zu maximieren.
In den letzten 30 Jahren haben sich die Einstellungen zur Unternehmensethik schrittweise verändert. Der Aufstieg des Umweltbewusstseins in den 1990er Jahren führte zu einer verstärkten sozialen Verantwortung, wodurch Unternehmen, deren Produkte und Dienstleistungen die Gesundheit und Umwelt beeinflussen, stärker unter Beobachtung gerieten. Heute stehen alle Unternehmen vor der Herausforderung, ihre Strategien für verantwortungsbewusstes Wachstum und Nachhaltigkeit zu rechtfertigen. Es ist mittlerweile Standard, dass Unternehmen Themen wie niedrigen CO2-Ausstoß, erneuerbare Energien, ethische Beschaffung oder umweltfreundliches Wachstum als zentrale Unternehmensziele priorisieren.
Das frühe 21. Jahrhundert brachte eine beispiellose Prüfung großer Unternehmensstrukturen mit sich. Ereignisse wie das Platzen der Dotcom-Blase, der Enron-Skandal, die Subprime-Hypothekenkrise, der Bankencrash von 2008 und die darauffolgende globale Rezession zeigten gravierende Mängel in der Unternehmensführung auf. Diese Periode der intensiven Prüfung führte zur Einführung strenger Regulierungen und einem verstärkten Fokus auf Corporate Governance.
Das “Cyber-Zeitalter” und der Aufstieg sozialer Medien haben die Unternehmensprozesse, Governance und Datenschutzfragen weiter revolutioniert. Soziale Medien ermöglichen eine weltweite Kontrolle und setzen Unternehmen unter Druck, ethische Praktiken zu befolgen. Diese Entwicklungen haben das Geschäftsdenken geprägt, sodass Unternehmen Erfolg nicht mehr nur anhand von Rentabilität messen. Dieser Wandel brachte das Konzept der “Triple Bottom Line” hervor, auch bekannt als “People, Planet, Profit”, das von John Elkington 1994 geprägt wurde.
Heute berichten Unternehmen über ihre finanzielle, soziale und ökologische Leistung und bereiten drei separate Bilanzen vor. Der Dow Jones Sustainability Index bewertet Unternehmen basierend auf diesem Konzept und fördert ethisches und nachhaltiges Wirtschaften. Obwohl dieses Prinzip noch nicht in allen großen globalen Organisationen etabliert ist, nimmt seine Bedeutung zu. Um diesen Wandel zu unterstützen, integrieren viele Unternehmen Verhandlungstraining oder -kurse, um sicherzustellen, dass ihre Teams ethisch und nachhaltig verhandeln können.
Diese Entwicklungen beeinflussen auch die Verhandlung selbst, da ethische Fragen stärker in den Fokus rücken. Verhandlungen, definiert als “der Prozess, mit jemandem zu diskutieren, um eine Einigung zu erzielen”, sind oft voller Widersprüche. Die Bewertung der Ethik einer Verhandlung hängt von den individuellen Interpretationen und sozialen Werten der Beteiligten ab. Zusätzliche Komplexität entsteht durch den Kontext der Verhandlung, z. B. ob sie einmalig oder wiederkehrend ist, ob die Parteien gleichgestellt sind und welche langfristigen Interessen sie verfolgen.
Die Erbschaft der Verhandlungsstrategien aus dem späten 20. Jahrhundert spielt ebenfalls eine Rolle. Die 1980er und 1990er Jahre, geprägt durch wirtschaftlichen Wohlstand, führten zu sozialen Veränderungen, die von vielen als übermäßig materialistisch beschrieben wurden. Time Magazine bezeichnete die 1980er als “das Jahrzehnt der Gier”, während die “Baby Boomer”-Generation als “die egoistischste Generation” kritisiert wurde. Diese Denkweise beeinflusste Verhandlungen und führte zu aggressivem Feilschen und Nullsummen-Taktiken. Die berühmte Aussage “Gier ist gut” aus dem Film Wall Street von 1987 symbolisiert diese Einstellung.
In den 1980ern erkannte man jedoch zunehmend die Grenzen einer rein distributiven Herangehensweise, und kollaborative Verhandlungsmethoden gewannen an Bedeutung. “Win-Win”-Strategien, popularisiert durch das Buch Getting to Yes von Fisher und Ury (1981), fanden immer mehr Anhänger. Diese Methode, auch als “Harvard-Prinzip” bekannt, betont den gegenseitigen Nutzen anstelle eines Nullsummenspiels. Trotz dieses Paradigmenwechsels bleiben wettbewerbsorientierte, verlustorientierte Taktiken bestehen, beeinflusst von vergangenen Generationen und wirtschaftlichem Druck.
Viele Menschen assoziieren Verhandlungen mit Feilschen und Kompromissen. Diese verbreitete Sichtweise verwischt die Grenzen dessen, was als akzeptabel gilt, und wirft ethische Fragen auf. Die menschliche Natur kann in Verhandlungen zu fragwürdigen Verhaltensweisen führen, angetrieben von kurzfristigen Zielen, egozentrischen Interpretationen von Fairness und dem Wunsch nach schnellen Ergebnissen.
Unethische Handlungen in Verhandlungen beinhalten oft Irreführung, etwa durch falsche Aussagen, Übertreibungen oder bewusst irreführende Informationen. Obwohl die meisten Menschen diese Praktiken theoretisch ablehnen, zeigt die Realität ein anderes Bild. In Bewerbungsgesprächen, Immobilienkäufen oder Geschäftsabschlüssen rechtfertigen viele solche Taktiken mit den jeweiligen Umständen.
Umfragen unter Kollegen, Kunden und Geschäftspartnern zeigten unterschiedliche Meinungen zu diesen Taktiken, aber gemeinsame Muster zeichneten sich ab. Viele halten solche Methoden für vorteilhaft und als legitimen Bestandteil des Verhandlungsprozesses. Erfahrene Verhandler erwarten solche Taktiken und betrachten sie als akzeptabel, wenn sie in einem angemessenen Rahmen genutzt werden. Gleichzeitig betonten die Befragten zwei wesentliche Punkte: Erstens ist das Bewusstsein für diese Taktiken entscheidend, um sich vor Ausbeutung zu schützen. Zweitens ist Vertrauen in langfristigen Beziehungen von zentraler Bedeutung. Unredliches Verhalten kann Vertrauen zerstören, Beziehungen schwächen und Geschäftschancen mindern.
Trotz des Bewusstseins für moralische Bedenken bleiben Verhandlungsmethoden oft situationsabhängig. Dennoch gibt es einen positiven Trend zu transparenteren und kooperativeren Verhandlungen, angetrieben durch wirtschaftliche, gesetzliche und politische Entwicklungen. Diese Verschiebung reflektiert die Erkenntnis, dass heutige Vereinbarungen nachhaltig und flexibel sein müssen und nicht nur auf den Vertragsabschluss fokussiert sein sollten.
Abschließend ist ethisches Verhalten in Verhandlungen subjektiv und kontextabhängig. Verhandler müssen ihre eigenen Werte mit den angemessenen Verhaltensweisen für eine gegebene Situation in Einklang bringen. Prinzipien wie Gegenseitigkeit, Transparenz, Vertrauen, Universalität und langfristige Auswirkungen sollten dabei als Leitlinien dienen. Wie John Rutledge betonte: “Ethisches Verhandeln ist nicht nur das Richtige, sondern auch oft profitabler.”